«Ich war etwa 16 Jahre alt, als ich allein mit dem Zug von Kaiserstuhl nach Zürich unterwegs war. Es war ein heisser Sommertag und es hatte, abgesehen von einem jungen Pärchen um die zwanzig, keine weiteren Personen im Zug. Dann stieg ein Mann im Alter von etwa 40 Jahren ein und setzte sich zu mir ins Abteil. Das war mir schon unangenehm, weil der Zug doch leer war und er sich gut irgendwo anders hätte hinsetzen können. Ich habe ihn bewusst ignoriert, Musik gehört und aus dem Fenster geschaut. Dann fing er an mit mir zu reden. Ich ging nicht darauf ein und gab ihm zu verstehen, dass ich kein Interesse an einem Gespräch hatte. Er redete aber einfach weiter und legte dann seine Hand auf meine Oberschenkel. Ich trug nur Shorts, denn es war wie gesagt ein sehr heisser Sommertag. Der Mann fing an, meine Beine weiter anzufassen, da nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sagte ganz laut, sodass es auch das Pärchen hören konnte: «Nehmen Sie Ihre Hand da weg!» Ich siezte ihn extra, um die Distanz noch zu unterstreichen. Dann stand ich auf und setze mich zum Pärchen ins Abteil. Dieses tat so, als wäre nichts gewesen. Es hätte mir damals sehr geholfen, wenn mir die beiden zu Hilfe gekommen wären und mehr Zivilcourage gezeigt hätten.»
Null Toleranz bei Belästigung!
Solche Situationen in öffentlichen Verkehrsmitteln kommen häufiger vor als man denkt. Sexuelle Belästigung kann an verschiedenen Orten auf unterschiedliche Arten passieren – in Form unangemessener Blicke, sexistischer Gesten oder anzüglicher Bemerkungen bis hin zu unerwünschten Berührungen. Niemand hat das Recht, Sie gegen Ihren Willen verbal oder körperlich zu belästigen. Was Sie nicht wollen, müssen Sie auch nicht tolerieren! Sexuelle Übergriffe verletzen die psychische und physische Integrität von Menschen und sind strafbar.
Wenn Sie einen Übergriff erlebt haben, wenden Sie sich an eine Beratungsstelle der Opferhilfe. Dort werden Sie informiert über Ihre Rechte, die Vor- und Nachteile einer Anzeige und den Ablauf eines Strafverfahrens. Die Opferhilfe unterstützt Sie bei der Verarbeitung des Geschehens und vermittelt weitergehende Hilfe.
Das kann Ihnen helfen, wenn Sie im ÖV belästigt werden:
- Sie dürfen sich wehren, so wie es für Sie geht. Zum Beispiel können Sie laut und deutlich sagen: «Stopp! Fassen Sie mich nicht an!», oder Sie können sich gegen den Belästiger wehren.
- Wenn noch andere Personen im ÖV anwesend sind, setzen Sie sich zu ihnen oder sprechen Sie sie direkt und persönlich an. Zum Beispiel: «Sie im blauen Mantel, können Sie mir helfen?».
- Rufen Sie eine Vertrauensperson an und schildern Sie die Situation.
- Notieren Sie sich den Vorfall samt Einzelheiten dazu wie Ort und Zeit und auch äusserliche Merkmale des Täters wie Statur, Körpergrösse, Haarfarbe, Frisur, Farbe und Art der Kleidung oder andere Auffälligkeiten wie Brille, Tattoos, Narben, Schmuck, um der Polizei eine möglichst genaue Personenbeschreibung geben zu können.
- Informieren Sie das Tram-, Bus- oder Zugspersonal.
- Wenn trotzdem etwas passiert, suchen Sie sich Unterstützung, zum Beispiel bei einer Opferberatungsstelle. Dort werden Sie vertraulich und kostenlos über Ihre Rechte und Möglichkeiten beraten.
- Wenn Sie belästigt, bedroht oder körperlich angegangen werden, rufen Sie die Polizei Tel. 117.
So können Sie handeln, wenn Sie eine Belästigung im ÖV beobachten:
- Schauen Sie nicht weg, sondern helfen Sie der betroffenen Person. Sprechen Sie sie zum Beispiel direkt an und bieten Sie Hilfe an.
- Um sich selbst nicht in Gefahr zu bringen, können Sie auch weitere Personen in der Nähe bitten, zur betroffenen Person mitzukommen.
- Informieren Sie das Tram-, Bus- oder Zugspersonal.
- Wenn andere Menschen belästigt, bedroht oder körperlich angegangen werden, rufen Sie die Polizei Tel. 117.